Zur Entwicklung und zum Kontext der Weiterbildung:
"Systemisch-lösungsorientierte Praxis im familiengerichtlichen Kontext"
Seit der "Vereinigung" der beiden deutschen Staaten bzw. "der Wende" hat die Entwicklung des Familienrechts in Deutschland erheblich an Fahrt aufgenommen.
Erwähnt seien bspw. das Kindschaftsreformgesetz (1998), das Gesetz zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls (2008) und das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG, 2009).
Wegen erheblicher öffentlicher Kritik am Sachverständigenwesen und an familiengerichtlichen Entscheidungen wurde das "Gesetz zur Änderung des Sachverständigenrechts ..." (2016) erlassen. Mindestanforderung an die Qualität von Gutachten (2015, 2019) wurden erarbeitet. Die Fortbildung von Familienrichtern wurde intensiviert, die Eingangsvoraussetzungen in das Richteramt am Familiengericht wurden erhöht u.a.
Das Anliegen einer Gleichstellung von Eltern in Rechten und Pflichten bei der Kindeserziehung scheint bei strittigen Trennungen weiterhin mit erheblichen Umsetzungsproblemen einherzu-gehen. Im fachöffentlichen Diskurs fallen folgende, durchaus kontrovers diskutierte Paradigmen auf:
- das Parental Alienation bzw. Parental Alienation Syndrom; also Formen der Eltern-Kind-Entfremdung bzw. der Umgangsverweigung bzw. Umgangsvereitelung.
- das Konzept der Hochstrittigkeit von Eltern nach Trennung/Scheidung;
- das paritätische Betreuungsmodell bzw. das Wechselmodell - als Leitidee.
- Kindeswohlgefährdungen wurden intensiviert bearbeitet (z.B. Einführung §8a SGB VIII u.v.a.)
- vor dem Hintergrund der Istanbul-Konvention wird das Problem häuslicher Gewalt (insbesondere gegen Frauen) erneut intensiv in die Fachöffentlichkeit getragen.
Bei Kindschaftssachen haben Familiengerichte in jeder Phase des Verfahrens auf ein Einvernehmen der Beteiligten hinzuwirken, sofern dieses dem Kindeswohl nicht widerspricht (§156.1 FamFG). Seit Erlass des FamFG (2009) ist gesetzlich verankert, das auch Sachverständige (§163.2 FamFG) und Verfahrensbeistände (158.2 FamFG) beauftragt werden können, auf ein Einvernehmen hin- bzw. mitzuwirken.
Faktisch gab es Ansätze systemischen bzw. lösungsorientierten Arbeitens bereits seit vielen Jahren. Als Initialzündung erscheint die Publikation:
Bergmann, E., Jopt, U. & Rexilius, G. (Hrsg., 2002). Lösungsorientierte Arbeit im Familienrecht. Intervention bei Trennung und Scheidung. Köln: Bundesanzeiger Verlag.
Hier wurden bereits praktizierte Arbeitsweisen und bspw. geeignete Beweisbeschlüsse für die lösungsorientierte Beauftragung von Sachverständigen vorgestellt.
Neben Uwe Jopt waren es in den Folgejahren insbesondere Günther Rexilius, Heinz Offe und Katharina Behrend, die mit präganten Beiträgen zur Entwicklung eines systemischen bzw. lösungsorientierten Vorgehens beitrugen. Diese Entwicklungen wurden von Mainstream-Autoren wie Joseph Salzgeber teils mit eigenen Vorschlägen, insgesamt eher kommentierend, begleitet.
Eine erste systemisch-lösungsorientierte Weiterbildung für die Sachverständigentätigkeit wurde seit ca. 2005 vom "Institut für lösungsorientierte Arbeit im Familienrecht", Prof. Dr. Uwe Jopt & Dr. Katharina Behrend, aufgebaut. Es folgten Angebote der "Leipziger Kreidekreise" sowie ab 2014 das Angebot des SDB e.V., damals inpiriert durch die zuständige Fachgruppe der DGSF.
Nach mehrjähriger Arbeitsgruppentätigkeit wurden Ende 2020 DGSF-Richtlinien für die Aufbau-weiterbildung "Systemische Sachverständige im Familien- und Kindschaftsrecht" verabschiedet. Dieser Beschluss wurde selten kontrovers und nur mit knapper einfacher Mehrheit verabschiedet.
Das vorläufige Ergebnis ist, dass nur ein Träger bundesweit eine systemische Fortbildung zur Sachverständigentätigkeit - mit Anerkennung durch die DGSF - anbietet. IAGUS, Geschäftsführer ist Helmut Brinkmann. INSA Berlin, dass wie IAGUS bereits als Fortbildungsträger anerkannt war, hat ein vorübergehendes Angebot bereits wieder eingestellt. Man weiß nicht, was in diesen Instituten gelaufen ist bzw. wie sich die Qualität ihrer jeweils ersten Versuche einer ersten Sachverständigenausbildung gestaltet haben. Alle anderen Träger einer solchen Fortbildung, die sich mit bereits bestehenden Erfahrungen in die "DGSF-Arbeitsgruppe Systemische Sachverständigentätigkeit" eingebracht hatten: Leipziger Kreidekreise, das Projekt von Jopt/Behrend in Lemgo und eben unser seit 2014 angebotenes Projekt - sind über formale Kriterien ausgeschieden. Bereits die Anerkennung als DGSF-Fortbildungsträger ist ungemein aufwendig - faktisch auch in mehreren Jahren nicht umsetzbar. Die DGSF muss sich vorwerfen lassen, dass der interne Proporz einen hohen Stellenwert gewonnen hat.
Wir halten unser Angebot in der bestehenden und bewährten Form bei und haben die Dauer der Weiterbildung durch etwas engere Taktung der Blockseminare auf ca. 9 Monate verkürzt. Zeitlicher Aufwand und Kosten stehen u.E. in einem angemessenen Verhältnis und ermöglichen einen beruflichen Einstieg in einem überschaubaren Zeitraum. Voraussetzungen für einen Einstieg in die Sachverständigentätigkeit sind günstigerweise einschlägige berufliche Erfahrungen und/oder ein besonderes Engagement (z.B. Rezeption der umfänglichen Fachliteratur).
Vorteil unseres Angebots ist weiterhin eine weitgehend voraussetzungslose Teilnahme - wir informieren im Vorbereitungsgespräch über Rahmenbedingungen und individuelle Möglichkeiten. Vorbedingung sind jedoch einschlägige berufliche Erfahrungen in der Arbeit mit Familien.
Unsere Fortbildung wird durch die Psychotherapeutenkammer Berlin (PTK) zertifiziert. Approbierte Psychotherapeuten erhalten entsprechend Fortbildungspunkte von der PTK gutgeschrieben. Zumeist, zumindest in Berlin, kann Bildungsurlaub beantragt werden (ca. 5 Tage / Jahr).